Warum ich das Fernwandern liebe (Christof Herrmann - 19. Dezember 2015)
Wandern ist mobile Meditation:
Ich wandere für mein Leben gern. Beim Wandern bin ich der Natur so nah und kann ich mich so schnell entschleunigen wie bei keiner anderen Fortbewegungsart und Freizeitaktivität. Die landschaftlichen Reize und leisen Töne der Natur ersetzen die alltäglichen Reize wie Computer, Musik, Fernsehen, ständige Erreichbarkeit und Betriebsamkeit, Straßenlärm und Menschenansammlungen, die uns nach und nach krank machen. Die Langsamkeit und Natürlichkeit wirkt auf mich meditativ. Wandern ist mobile Meditation. Ich empfinde dies besonders in anspruchsvollem Gelände, etwa wenn ich in den Alpen einen Berg erklimme und mich dabei auf meine Schritte und Atmung konzentriere. Stehe ich schließlich auf dem Gipfel, ist mein Kopf frei und mein Herz offen. Ein derartiges Glücksgefühl hat man unten im Tal respektive im Alltag nicht so schnell.
Königsdisziplin Fernwandern
Das Fernwandern ist so etwas wie die Königsdisziplin des Wanderns. Es ist auch unter dem Begriff Weitwandern bekannt und bezeichnet eine mehrtägige oder mehrwöchige Tour, bei der man jede Nacht an einem neuen Ort schläft. Im Laufe der Zeit überbrückt man große Strecken. Ganze Länder können per pedes durchquert und kennengelernt werden. “Was ich nicht erlernt habe, das habe ich erwandert”, sagte schon Goethe. Da ich flexibel bleiben möchte, reserviere ich möglichst kein Unterkünfte. Beim Aufbrechen am Morgen weiß ich meist nicht, wo ich abends lande. In unserer geregelten Welt hat das etwas Abenteuerliches.
Reich wie ein Scheich und frei wie ein Vogel
Beim Fernwandern komme ich meinem Ideal eines minimalistischen Lebens am nächsten. Alles, was ich in den Wochen unterwegs benötige, passt locker in einen 32-Liter-Rucksack. Alles, was ich in dieser Zeit zu tun habe, ist mich fortzubewegen, mich zu (ver)pflegen, eine Bleibe für die Nacht zu finden und mich hin und wieder bei meinen Lieben zuhause zu melden. Obwohl ich also kaum etwas bei mir habe, fehlt es mir an nichts. Ich fühle mich reich wie ein Scheich und zugleich frei wie ein Vogel. Diese Erfahrung kann einen lehren, auch nach der Rückkehr einfacher zu leben und sich wieder mehr den für einen selbst wichtigen Dingen zu widmen.
Oft ganz unverhofft: Begegnungen mit Menschen
Wie im Alltag sind auch auf Fernwanderungen Begegnungen mit Menschen das Salz in der Suppe des Lebens. Startet man als Paar oder in einer Gruppe, gibt es reichlich Gelegenheit, sich auszutauschen. Ist einem der Austausch zu reich, kann man sich an der nächsten Steigung dezent zurückfallen lassen. Ich bin auch mehrmals alleine gestartet. Einsam habe ich mich nie gefühlt. Zum einen war stets Leben in Form von Flora und Fauna um mich herum, zum anderen kam es oft ganz unverhofft zu Begegnungen. Ein Bauer auf dem Feld, mit dem ich ein paar Worte wechseln konnte. Ein Hüttenwirt, der Interessantes über seine Bergregion erzählte. Ein Wanderer, der in die gleiche Richtung ging. Ist man auf einem Fernwanderweg unterwegs, kann es sein, dass dieser Wanderer das gleiche Etappenziel oder sogar das gleiche Ziel der gesamten Tour hat. Ich freue mich immer, auf ein bekanntes Gesicht zu treffen. Mit manchen bin ich tagelang zusammen gewandert, einige davon zähle ich mittlerweile zu meinen Freunden.
entnommen aus: www.einfachbewusst.de
Im Juni 2018 setzen wir die Wanderung auf der Via Alpina fort ...
Am Donnerstag, 28. Juni 2018 fahren wir von Mals im Vinschgau mit dem Bus nach Oberstdorf. Dort wollen wir unsere Fernwanderung auf der Via Alpina fortsetzen. Vor 2 Jahren haben wir hier den 2. Teil unserer Fernwanderung von Sexten bis Oberstdorf beendet. Heuer möchten wir deshalb von Oberstdorf bis in den Vinschgau wandern. Dabei führt uns der Weg zuerst von Deutschland nach Vorarlberg in Österreich, von dort weiter nach Liechtenstein und in die Schweiz. Später kehren wir wieder nach Österreich zurück, wandern dann kurz durch die Schweiz und und weiter bis nach Südtirol.
Von Oberstdorf bis zur Mindelheimer Hütte (R51)
Tag 1: Wir starten von zu Hause mit dem Auto bis nach Mals. Dort lassen wir unser Auto stehen und warten auf den Bus. Bereits vor einigen Tagen haben wir Sitzplätze in einem Bus reserviert, der täglich "E5-Wanderer" von Meran zurück nach Oberstdorf bringt. Die Fahrt geht über den Reschenpass nach Nauders, Zams, weiter über den Fernpass Richtung Kempten/Füssen bis nach Oberstdorf. Kurz nach Mittag stehen wir dort am Bahnhof, wo wir vor 2 Jahren den 2. Teil unserer Fernwanderung beendet hatten. Mit dem Bus fahren wir bis nach Birgsau. Der Anstieg zur Mindelheimerhütte über den Guggersee ist gesperrt. Deshalb wählen wir eine andere Variante: zuerst geht es ca. 7,5 km fast flach auf einer Almstraße taleinwärts. Ab der Rappen Alpe führt uns ein kleiner Steig hinauf zu den Angerer Hütten und weiter zur Mindelheimerhütte.
Von der Mindelheimer Hütte bis zur Biberacher Hütte (R52 und R53)
Tag 2: die Etappen R52 und ein Teilstück der Etappe R53 haben wir "zusammengelegt".
Der letzte Abschnitt der Allgäuer Alpen ist gleichzeitig einer der schönsten. Er bietet spektakuläre Ausblicke auf den Allgäuer Hauptkamm, von der Trettachspitze bis zum Biberkopf, den wildromantischen Koblat und auf den markantesten Gipfel der Allgäuer, den Widderstein. Von der Mindelheimerhütte geht es in gemächlichem Auf und Ab zum Koblat, einem Bergrücken zwischen Kleinwalsertal und Tannberg nahe der deutsch-österreichischen Grenze. Über diesen Höhenrücken wandernd erreichen wir den Gemstelpass und die Widdersteinhütte unmittelbar am Fuße des wuchtigen Widdersteins. Von der Hütte geht es abwärts nach Hochkrummbach am Hochtannbergpass, wo wir nahe der Passhöhe die Straße erreichen. Nach 20 Minuten Aufwärtsgehen gelangen wir zu einem Sattel, bei dem wir die reizvolle Mulde des Körbersees vor uns sehen. Nun wandern wir ein Stück weit der jungen Bregenzerach entlang zur Batzenalpe (1.560m) und weiter abwärts nach Schröcken.
Nach der schroffen Bergwelt der Allgäuer Alpen bietet die Etappe (R53) einen ersten Vorgeschmack auf die lieblichere, grüne Hügellandschaft des Großen Walsertales und des westlichen Lechquellengebirges. Eine letzte felsige Bastion, die Hochkünzelspitze, säumt den Weg, ehe wir das Hochgebirge verlassen.
Von Schröcken zielt die Route über den Schröckbach in die Waldschlucht der Bregenzerach. Von da geht es zumeist im Verlauf des historischen Saumwegs gemächlich der Bregenzerach entlang bis zur so genannten Landstegbrücke. Dort endet die gemütliche Talabwanderung. Vom Landsteg wandern wir auf einem zum Teil etwas steil angelegten Alpsträßchen zum Schadonapass und zur Biberacher Hütte (1.846m), wo wir nach dreistündigem Wandern (ab Schröcken) den Talschluss des Großen Walsertals betreten.
Von der Biberacher Hütte bis nach St. Gerold (Teilstück von R53 und R54)
Tag 3: Unser nächstes Ziel ist das Dörfchen Buchboden. Vom Schadonapass führt der Weg leicht abfallend zu einer Weggabelung. Kurz geht es nochmals bergan, dann wandern wir über aussichtsreiche Alpweiden zur Alpe Oberüberlut (1.585m) zu. Auf einem Fahrweg gehen wir weiter zur unteren Überlutalpe (1.360m). Dort wählen wir den historischen (kürzeren, aber auch steileren) Alpweg aus um talwärts zu gehen. Zumeist wird bergab der Fahrweg, bergauf der Fußweg bevorzugt. Beide Wege vereinigen sich bei Buchboden, der hintersten Bergbauernsiedlung im Großen Walsertal. Im gesamten Routenverlauf von Buchboden Tal auswärts ist der Verlauf der Via Alpina mit dem des regionalen Walserwegs identisch. Dieser führt in Buchboden auf kürzestem Wege zur Lutz, die das Große Walsertal durchfließt. Die Route folgt abwechselnd Fahr- und Fußwegen, hält sich vorerst aber immer in der Nähe des Talbachs. Vorbei an der Hangsiedlung Sonntag, am kleinen Dorf Garsella gelangen wir in gemütlichem Auf und Ab, abwechselnd über Bergwiesen und durch bewaldete Tobel ins Dörfchen Blons. Von dort geht es etwas steil abwärts ins raue Rüfitobel und auf der anderen Seite steigen wir durch Schluchtwald und über Bergwiesen wieder hinauf zur Propstei St. Gerold. Wir übernachten in der wunderschön restaurierten Propstei: sie gehört zum Benediktinerkolster Einsiedeln in der Schweiz. Das Kloster ist zugleich Bildungshaus, Restaurant und Zimmervermietung und wir können es nur wärmstens weiterempfehlen.
Von St. Gerold bis zur Gafadura Hütte (R55 und R56)
Tag 4: Wir verzichten auf das "Asphaltwandern" und fahren bis Feldkirch mit dem Taxi. Dieses bringt uns bis zum Letzehof kurz oberhalb der Stadt. Hinter der Fassade dieses gewöhnlichen Landhauses verbirgt sich das buddhistische Kloster "Tashi Rapten". Von dort wandern wir in Richtung Amerlügen und dann geht es im Wald steil hinauf zur Feldkircher Hütte. Kurz oberhalb der Hütte erreichen wir eine aussichtsreiche Hangterrasse von wo wir bis ins Große Walsertal und durch das Rheintal bis zum Bodensee sehen. Weiter geht die Wanderung zur Sarojaalpe und zum Sarojasattel. Dort oben steigen wir kurz zur Gafadura Hütte ab, welche schon in Liechtenstein liegt.
Von der Gafadura Hütte bis zur Pfälzerhütte (R57 und R58)
Tag 5: Diese klassische Bergtour für trittsichere Wanderer zwischen den gesicherten Felssteigen wird man nie vergessen. Die hervorragende Aussicht auf den Rätikon und zu den Schweizer und Vorarlberger Bergen sowie der Blick hinab zu den Dörfern, entlang des Rhein bis zum Bodensee und die prächtige Schuttflora sind atemberaubend.
Der Ausgangspunkt der Etappe ist die Gafadurahütte. Fürst Johann II liess sie als Jagdhaus errichten. Die Wanderung beginnt mit einem kurzen Aufstieg zum Saroyasattel, wo die Landesgrenze zwischen Liechtenstein und Österreich überschritten wird. Die Via Alpina verläuft um die Drei Schwestern zur Garsella-Alp. Hier entscheiden wir uns dafür, die Wanderroute für trittsichere und schwindelfreie Berggänger über den Drei Schwestern-Steig (er ist mit Seilen und Leitern gut gesichert) zu nehmen. Nun aber zurück zur Garsella-Alp, von hier aus beginnt der Aufstieg über saftige Alpweiden zum Garsellikopf. Auf dem Garsellikopf sowie auf dem weiteren Routenverlauf hat man einen fantastischen Ausblick ins Rheintal. Dem Wanderer zu Füssen liegen die liechtensteinischen sowie die schweizerischen Dörfer, welche durch den Rhein getrennt sind. Man bekommt aber auch einen grandiosen Einblick in die liechtensteinische, die schweizerische und in die österreichische Alpenwelt. Im Osten liegt das Saminatal mit dem geschützten Wald Garselli/Zigerberg, welches zum Ziel hat das Waldökosystem, die Artenvielfalt sowie die Genressourcen zu erhalten. Beim Gafleisattel ist der Einstieg zum Fürstensteig, welcher im Jahre 1898 eröffnet wurde. Dieser kühne und grossartig angelegte Steig ist mit Seilen gut gesichert, Schwindelfreiheit ist allerdings erforderlich. Nicht Schwindelfreie wählen den Bergweg über Helawang – Bargella und gelangen dann oberhalb Gaflei wieder auf die Orginalroute. Auf dem gut ausgebauten Alpweg oberhalb Gaflei, begleitet von einer wunderbaren Alpenflora, gelangt man über Silum zum Etappenziel Sücka.
Vom Kurhaus Sücka marschieren wir auf dem Alpweg südwärts und gelangen leicht ansteigend hoch über dem Ferienort und Maiensäss Steg zu den Almweiden vom Alpelti. Auf schmalerem Weglein überqueren wir die Schwarze Wand, es ist dies ein grossflächiger Schieferabbruch. In Südrichtung weiter erreichen wir die Hütten der Alpe Gapfahl-Undersäss. An der Alphütte vorbei quert der Bergweg fast eben den Bärenwang. Nach der Überquerung eines kleinen Tobels, steigen wir ostwärts zum Naaftal hoch. Von weitem grüssen die hellgrauen Mauern der Pfälzerhütte, doch vorher ist noch ein etwas steilerer Anstieg zu bewältigen. Die Pfälzerhütte am Bettlerjoch auf 2108 m ü.M. ist das lohnende Ziel und vielseitiger Ausgangspunkt. Nordwärts gelangt man auf dem Fürstin-Gina-Weg auf einer der schönsten und blumenreichsten Gratwanderungen über den Augstenberg ins Malbun. Talwärts nach Osten lockt der Nenzinger Himmel. Lohnend ist der Aufstieg auf den aussichtsreichen Naafkopf.
Von der Pfälzerhütte bis zur Schesaplana Hütte (R59)
Tag 6: Von der Pfälzerhütte am Bettlerjoch gelegen, führt uns der Weg über Alpweiden, Geröllhalden und zwischen einzelnen Felspartien hindurch gegen das Barthümeljoch. Wir steigen rechts hinauf zum Grenzstein und sehen über dem Bergrücken unten im Tal eine Straße und Hütte. Wir steigen hinunter. Nach ca. 15 Minuten kontrollieren wir, ob wir auf dem richtigen Weg sind und stellen leider fest, dass wir den falschen Steig gewählt haben. Wir machen kehrt und steigen noch einmal zum Joch hinauf. Da sehen wir, dass ca. 100 Höhenmeter unter dem Joch hinüber zur Gross Furgga ein anderer Weg den Hang quert. Wir treffen auf Schneefelder und es ist Vorsicht angesagt. Am Grenzstein Nr. 2 Österreich-Schweiz queren wir auf die Südseite der Hornspitz. Hier auf dem Joch werden wir vom Schlechtwetter eingeholt. Wir ziehen unsere Regenbekleidung an und verstauen die Rucksäcke unter dem Regenschutz. Nebelfetzen ziehen von den Gipfeln talwärts, die Sicht wird immer schlechter, der Weg ist rutschig. Immer wieder müssen wir kleine und auch größere Bäche überqueren. Nach ca. 3 1/2 Stunden Wanderung sind wir in der Schesaplanahütte. Wir sind triefnass und froh endlich etwas Trockenes anziehen zu können.
Von der Schesaplana Hütte bis zur Carschina Hütte (R60)
Tag 7: Von der gastlichen Schesaplanahütte aus führt der Weg nach Osten. Unterwegs erreichen wir einen wichtigen Wanderknotenpunkt wo wir uns links halten und gelangen etwas später zum Cavelljoch. Unterhalb der Krichlispitzen wandern wir über schöne Alpweiden zum Pardutzbödali und steigen unterhalb dem Schweizertor in Richtung Drusenfluh ab. Bald erreichen wir die Carschina Hütte. Sie ist eine typische Eschenmoser-Hütte mit dem sechs- oder achteckigen Baustiel von den Grundmauern bis zu den Tischen und Betten.
Von der Carschina Hütte über Gargellen zur Tübinger Hütte
(R61 - R62 - R63)
Tag 8: Unterhalb des phantastischen Kletterberges der Sulzfluh wandern wir dem grossen Moränenstrom entlang in Richtung Alp Garschina. Im Westen steht gross und mächtig die senkrechte Schijenflue mit dem sehr interessanten vorgelagerten Kletterturm, dem Schijenzahn.
Bei der kleinen Siedlung Partnun (Dörfji) zweigen wir gegen das St. Antönier Joch, oder auch Gargäller Joch genannt, ab. Steil führt der Wanderweg über die bis weit hinauf bewirtschafteten Alpwiesen in Richtung St. Antönier Joch. Das Antönier Joch bildet die Grenze zwischen Österreich und der Schweiz. Kurz unterhalb des Joches kann man zwischen zwei Wegvarianten wählen. Wir folgen dem steileren aber direkten Weg über die Hochweiden der Gargellner Alpe durch den Gargellner Alptobel und über Rüti nach Gargellen. Hier in der Ortschaft machen wir Mittagspause. Leider fängt es an zu regnen: wir entscheiden uns aber trotzdem für das Weitergehen und ziehen unsere Regenkleider über.
Von der Ortsmitte von Gargellen gehen wir bis zum Waldrand am Fuße des steil aufragenden Schmalzbergs und wandern auf einem Forstweg zur Vergaldaalpe (1.820m). Von hier zieht sich die Route auf einem Alpsträßchen mit mäßigen Steigungen noch etwa eine Stunde Tal einwärts. Ab der Rotbühel-Jagdhütte windet sich der Bergweg aufwärts zum Vergaldner Joch. Der Regen lässt zwar nicht nach, dafür gibt es aber auch kein Gewitter mit Blitz und Donner. Durch eine Karmulde kommen wir zum Mittelbergjoch auf 2.415m Höhe. Von da geht es noch einmal ca. 100 Höhenmeter steil bergab, dann aber nur mehr leicht fallend, bis man auf dem Weg zum Garnerajoch trifft. Die Tübinger Hütte haben wir schon in Sichtweite und die Motivation ist trotz des Regens, der nassen Klamotten, der nassen Schuhe und der durchgefrorenen Hände gut. Über die großen Steinplatten führt der Steig durch das "Steinlabyrinth" fast eben zur Tübinger Hütte. Vor der Hütte liegen überall Baumaterialen und in der Hütte hören wir Handwerker beim Arbeiten. Eine junge, freundliche Hüttenwirtin empfängt uns an der Eingangstür. Sie fragt, ob wir reserviert hätten. Wir müssen die Frage verneinen und als sie weiterfragt, von wo wir herkommen, sagen wir von der Carschina Hütte in der Schweiz. Sie schaut uns ungläubig an und meint nur, ob wir Überlebenstraining auf dem Programm hätten. Weiter sagt sie, die Hütte sei eigentlich geschlossen, es gibt kein fließendes Wasser, kein WC im Haus und nur reduziert Strom, aber trotzdem nimmt sie uns gerne auf.
Von der Tübinger Hütte bis nach Galtür (R64)
Tag 9: Nebel und Wolken hängen tief - fast so tief wie unsere Motivation. Die Schuhe sind vom Vortag noch völlig nass und es ist nicht besonders angenehm mit nassen Schuhen los zu marschieren. Von der Tübinger Hütte führt der Weg durch das Gatschettatäli auf dem zum Teil etwas exponierten "Gunserweg" durch die Steilhänge des Valgraggeskammes zum Hochmadererjoch auf 2.505m Höhe. Der Hochmaderer mit 2.823m Höhe gilt als einer der aussichtsreichsten Berge des Montafons mit Blick über die ganze Silvretta, den Verwall und den östlichen Rätikon. Bei diesem Wetter bleibt uns die Aussicht jedoch verwehrt. Vom Hochmadererjoch geht es steil abwärts und später über die Alpweiden oberhalb des Vermuntstausees zum Kromerbach, den wir mittels kleiner Brücke überqueren. Hanspeter bekommt immer größere Schmerzen am Fußrücken. Deshalb steigen wir langsam hinauf zur Bielerhöhe. Parallel zur Straße auf die Bielerhöhe führt der Steig mit nur geringem Höhenunterschied entlang der Ill zur Bielerhöhe am Silvrettastausee. Diese Passmulde ist die kontinentale Wasserscheide von Rhein (Nordsee) und Donau (Schwarzes Meer). Sie verbindet aber auch das Paznauntal mit dem Montafon. Im Restaurant Silvretta tauschen wir unsere völlig durchnässten Schuhe und Socken gegen trockene aus. Wir essen hier etwas Warmes und fahren dann mit dem Bus bis nach Galtür.
Von Galtür bis zur Jamtalhütte (R65)
Tag 10: Da wir schon am Vortag von der Bielerhöhe mit dem Bus bis nach Galtür gefahren sind, haben wir diese Route etwas abgeändert.
Hanspeter's Fußrücken ist stark angeschwollen und schmerzt. Aus diesem Grunde suchen wir - bevor die Wanderung weitergeht - ein Sportgeschäft auf. Hanspeter möchte einen neuen Schuh kaufen, da der aktuelle völlig durchgetreten und kaputt ist. Nach Fußanalyse und ausgiebiger Beratung entscheidet er sich für einen neuen Bergschuh.
Etwas später spazieren wir durch das Dorf Galtür und sehen uns die Kirche und den angrenzenden Friedhof an; dort suchen wir den Gedenkstein für die Lawinentoten vom 22.02.1999 auf und gedenken der Menschen, die auf so tragische Weise das Leben verloren haben.
Wir besuchen noch das "Alpinarium", wo zur Zeit eine Ausstellung über das Leben in Galtür läuft.
Um die Mittagszeit machen wir uns auf den Weg zur Jamtalhütte. Wir starten mit gemischten Gefühlen: wie lange wird es wohl gut gehen? Werden die Schmerzen am Fußrücken mehr oder weniger? Wie trägt sich der neue Schuh? Nach dem Motto "chi va piano, va sano e lontano" steigen wir durch das Jamtal hinauf zur gleichnamigen Hütte auf. Wir kommen gut voran und schon nach etwas mehr als zwei Stunden sind wir bereits oben.
Von der Jamtalhütte bis nach Scuol (R66)
Tag 11: Von der Jamtalhütte führt der Steig in östlicher Richtung entlang des Futschölbaches weiter. Linker Hand zweigt schon nach kurzem der Anstieg auf das Westliche Gamshorn mit 2.987m ab. Die Via Alpina folgt aber nur leicht ansteigend dem Bach und man gelangt zu den feuchten Böden, genannt Breites Wasser. Die Landschaft hier ist traumhaft schön, man glaubt fast in Nepal oder Tibet zu sein. Der Weg führt weiterhin mäßig ansteigend zum 2.476m hohen Finanzerstein. Ab hier wird der Weg etwas alpiner und wir erreichen kurz vor 10 Uhr den Futschölpass. Hier stehen wir nun wieder an der österreichisch-schweizerischen Grenze und verlassen den österreichischen Boden.
Nach einem langen Marsch durch das Val Urschai erreichen wir die Alpe Val Mala. Über Wald- und Wiesenhänge wandern wir durch das Val Tasna und erreichen das urwüchsige Bergdorf Ftan. Auf dem Weg dorthin fällt uns das Schild Molign-Mühle auf. Wir folgen dem Wegweiser und nach kurzer Zeit stehen wir vor einer alten Mühle (der ältesten funktionierenden alpinen Mühle der Schweiz). Eine freundliche, ältere Frau tritt aus dem Haus und bald kommen wir mit ihr ins Gespräch. Sie zeigt uns - in einer privaten Führung - voller Stolz die Mühle, welche ihrem Vater gehörte. Hanspeter und Frau Florineth leiten am Mühlbach das Wasser um und bald setzt sich das Mühlrad in Bewegung. Mit viel Bedacht und Umsicht erklärt sie uns alle einzelnen Arbeitsschritte. Anschließend sitzen wir noch bei einem Kaffee in ihrer Küche und lauschen den Erzählungen von Frau Florineth.
Nach dieser wertvollen Begegnung ziehen wir weiter in das kleine Dorf Ftan hinauf: wir besichtigen dort die evangelische Kirche und den Friedhof, treffen noch einen Einheimischen mit einem Uhu (ideales Fotomotiv) und warten gemütlich in einem kleinen Dorfcafé auf den Bus, der uns nach Scuol bringt. Das ist die größte und bedeutendste Siedlung des Unterengadins. Über zwanzig Mineralwasserquellen entspringen in der Umgebung von Scuol.
Der richtige Aufschwung für Scuol kam mit der Errichtung der Unterengadiner Fahrstrasse über den Flüelapass in den Jahren von 1860 bis 1866 . Die Rhätische Bahn, die ihre Endstation in Scuol hat, war lange Zeit als wintersichere Verbindung zwischen dem Unter- und Oberengadin von tragender Rolle.
Von Sur Enn über die Uina Schlucht zur Sesvennahütte (R67) und von der Sesvennahütte bis nach Schlinig/Mals (R68)
Tag 12: Diese Etappe haben wir abgeändert. Eigentlich ginge die Route von Scuol nach S-Charl über S-Charl Jöchl in das Avignatal und talaus nach Taufers im Münstertal. Wir haben uns aber für den Aufstieg von Sur Enn durch das Uinatal und die Uinaschlucht bis zur Sesvennahütte entschieden.
Nach hervorragendem Frühstück fahren wir die ca. 12 km lange Strecke bis nach Sur Enn mit dem Bus. Um ca. 10 Uhr starten wir dort unsere Wanderung durch das Uinatal. Der Weg zieht sich sehr lang gleichmäßig ansteigend in das Tal hinein. Wir erreichen die Alpe Uina Dadaint und kehren kurz ein. Ab hier verengt sich nun das Tal zu einer über 100m tiefen Schlucht an der Ostflanke des Craist'Otal (Hahnenkamm). Dieses Tal wird bis heute von Hirten und Waldbauern genutzt. Mit dem Bau einer ca. 1.000m langen Gallerie mit zwei Tunnels in die Wand durch die Sektion Pforzheim des dt.-österr. Alpenvereins, der 1910 fertiggestellt wurde, konnten die Hochalmen in Sursass besser genutzt werden. Auch der Zugang vom Unterengadin zur Chamanna Pforzheim wurde wesentlich erleichtert. Die Sesvennahütte wurde erst 1975 neben der alten Pforzheimerhütte erbaut. Heute wird der Weg durch die Uinaschlucht vor allem von Wanderern, Mountainbikern und den Fernwanderern Oberstdorf-Meran genutzt. Wir sind von diesem Abschnitt der Etappe sehr beeindruckt: der Weg ist in sehr gutem Zustand. Nach dem Weg durch die Schlucht weitet sich das Hochtal und große Weideflächen der Sursass begleiten uns bis zur Sesvennahütte.
Tag 13: Auch diese Etappe der Via Alpina haben wir abgeändert: wir wandern von der Sesvennahütte bis nach Schlinig und nehmen dort den Bus bis nach Mals.
Dort steigen wir mit vielen schönen Erlebnissen und Eindrücken im Gepäck (sprich Rucksack) in unserer Auto und fahren vom Vinschgau wieder zurück in das Antholzertal.
Tourdaten zur Via Alpina von Oberstdorf bis Sesvenna (Teil 3):
Distanz: 199,3 km
Höhenmeter bergauf: 11.581 m
Höhenmeter bergab: 9.640 m
Zeit: ca. 73 Stunden (12 Tagesetappen)
Weit. Wandern.
Zwei Begriffe mit denen ich zuvor nicht viel verbinden konnte. Aber je mehr ich mich mit dem Thema Weitwandern und den Menschen auseinandersetzte, umso deutlicher verstand ich den Sinn hinter diesem Begriff. Die Geschichten von beeindruckenden Menschen gaben mir eine völlig neue Sichtweise (ein Beitrag von Nadine Lauritsch).
Das Weite aufzusuchen, zog mich bisher nie wirklich an. Weit – verknüpfte ich mit der Ferne, der nahen Zukunft. Eine Thematik, die für mich in der Gegenwart fehl am Platz war.
Wandern – setzte ich in Verbindung mit Kindheitserinnerungen, als einem die Eltern noch zum Wandern mitnahmen, oder soll ich besser sagen „mitschleppten“. Und diese zwei Wörter, die ich zuvor eher mied, als mich mit ihnen zu beschäftigen, weckten doch eine gewisse Art von Neugierde.
Aber je mehr ich mich mit dem Thema Weitwandern und den weitwandernden Menschen auseinandersetzte, umso deutlicher verstand ich den Sinn hinter diesem Begriff. Die Geschichten von beeindruckenden Menschen gaben mir eine völlig neue Sichtweise.
Ein Mann, dessen Geschichte mir besonders nahe ging, war die von Dr. Markus Schlagnitweit, einem Theologen, Sozialwissenschaftler, Priester der Diözese Linz und Weltweitwanderer. Was er auf seinem Weg zu Fuß durch das Land suchte, waren die Begegnungen mit dem Anderen, dem Fremden. Das ist für ihn der eigentliche Sinn. Wirkliche Begegnungen sind immer ein Wechselspiel aus Geben und Nehmen. Und das darf der Wanderer auf Schritt und Tritt hautnah miterleben. Sogar der Radfahrer zieht an den zu Fuß Reisenden zu rasch vorüber. Zeit zum Grüßen oder gegrüßt zu werden hat auch dieser nicht. Der Wanderer sehr wohl schon. „Oft habe ich erlebt, dass meinem bloßen Gruß ein aufmunterndes Wort, eine Frage nach dem Woher und Wohin, eine Einladung zum Rasten und Verweilen gefolgt ist: in Gebirgsdörfern, auf einsamen Gehöften, an Gartenzäunen.
Meine einfache Frage nach dem Weiterweg mündete nicht selten in regelrechte Erzählrunden…“ Worte, denen ich begeistert lauschen durfte. Diese Menschlichkeit und Gastfreundschaft sind Werte, die man so heutzutage nur selten wiederfindet, schon gar nicht an den Sonnenstränden, die mit Massen von Touristen überfüllt sind, im all-inclusive Urlaub im Ferienclub oder in der Großstadt mitten auf der Einkaufsmeile. Niemand kann ein Land und dessen Bewohner so aufrichtig kennenlernen, wie ein Wanderer, der sich nur auf sich, seine Umgebung und seinen Umgebenden konzentriert.
Wenn ich so auf meine „ersten“ Wanderungen als Weitwanderer zurückblicke, muss ich gestehen: Sie haben Spuren hinterlassen. Durststrecken zu bewältigen und gegen Wiederstände zu bestehen sind nicht die einzigen Fähigkeiten, die ich mir durch diese aufschlussreiche Erfahrung aneignen durfte. Auch die Auseinandersetzung mit mir Selbst und der Stille, lehrte mir Freude und Begegnungen mit anderen Menschen umso mehr zu schätzen. An Zielen festzuhalten. Man hat Zeit sich selbst neu kennenzulernen und sich auf Sachen zu konzentrieren, für die man so im Alltag keine Zeit aufwenden würde. Jeder Baum, Strauch, Steinhaufen wird zu etwas Einzigartigen und Faszinierenden an sich. Kein Sonnenauf- oder untergang gleicht dem Anderen. Erste Sonnenstrahlen, die sich langsam auf das ganze Land ausbreiten. Augenblicke, die unbezahlbar sind.
Neben den landschaftlichen Perlen kam dann noch der Kontakt zu Menschen, denen ich so auf normalem Wege wahrscheinlich niemals begegnet wäre. Manchmal bildete man kleine Wandergemeinschaften, die ein paar Tage andauerten und dann verabschiedete man sich wieder und machte Bekanntschaften mit anderen interessanten Menschen. Abwechslungsreich und aufregend.
Weitwandern ist für mich nicht mehr „nur was für ältere Menschen“ oder „nur für die, die keinen richtigen Sport machen wollen.“ Aus meiner Sicht ist Weitwandern eine Lebensqualität, ein Ausgleich zum lauten, hektischen Alltag. Nicht denken zu müssen, was auf einen zukommt. Vielleicht tut sich ja unterwegs etwas auf, etwas Neues, Unerwartetes.
Auch wenn das jetzt vielleicht egoistisch klingen mag, aber es ist etwas für mich selbst.
(entnommen aus "www.weitwanderwege.com - Das Weitwandern-Portal" )